Lesetipps zu Freimaurerei

Grundgesetz mit Unterschriften im Haus der Geschichte

  Gekürzte Version eines Vortrags an einem Gästeabend der Freimaurerinnenloge CONSTANTIA

 

(Nur) das Gesetz kann uns Freiheit geben: Das Grundgesetz

Im Mai dieses Jahres jährte sich das Inkrafttreten des Grundgesetzes zum 70. Mal und ein Jubiläum ist ein guter Anlass, genauer hinzuschauen.

Die Zeit und die Menschen

In meiner Lebenszeit gab es das Grundgesetz immer. Scheinbar ganz selbstverständlich. Daher die Frage zu Beginn: Wie kommt eine Gesellschaft zu Regeln?

Historisch gibt es verschiedene Arten der Legitimation, etwa Göttliche Offenbarung, Sieg im Kampf, Charisma, ererbte Macht und, als jüngste, Parlamentarismus. Unser Grundgesetz ist nach keiner dieser reinen Formen entstanden.

Nach Ende des Zweiten Weltkrieges bestimmen die Siegermächte Sowjetunion, USA, Großbritannien und Frankreich, die mit Hilfe von Militärregierungen die Staatsgewalt ausüben. Im Sommer 1945 einigen sich die Besatzungsmächte auf wirtschaftliche und politische Grundsätze für eine gemeinsame Deutschlandpolitik: Entnazifizierung, Entmilitarisierung, Dezentralisierung, Dekartellisierung der Wirtschaft und Demokratisierung.

Bereits 1946 beginnt durch ideologische Unterschiede, ausgedrückt durch das jeweilige Vorgehen im politischen und gesellschaftlichen Wiederaufbau, der kalte Krieg zwischen den Sowjets und den westlichen Alliierten. Mit den "Frankfurter Dokumenten" fordern die Westmächte die Ministerpräsidenten der Länder im Sommer 1948 auf, die Gründung eines westdeutschen Staates einzuleiten. Der aus 70 durch die Länder gewählten Mitgliedern bestehende Parlamentarische Rat wird daraufhin beauftragt, ein Grundgesetz zu erarbeiten. Er tritt am 1. September 1948 in Bonn zusammen und startet mit der Arbeit. Nach der Verabschiedung durch den Parlamentarischen Rat, die Ratifizierung durch die Länderparlamente und die Genehmigung der Alliierten tritt das Grundgesetz am 23. Mai 1949 in Kraft. Die Bundesrepublik Deutschland ist damit gegründet.

Aus heutiger Sicht waren es außergewöhnliche Umstände, unter denen das Grundgesetz entstand. Außergewöhnlich trifft vielfach auch auf die Beteiligten im Parlamentarischen Rat zu. Zwei möchte ich kurz skizzieren:

Carlo Schmid

Rechts-/Staatswissenschaftler, geboren in Südfrankreich, wo die Familie wegen der Lehrtätigkeit des Vaters einige Jahre lebte. Schmid spricht entsprechend hervorragend Französisch und hat nie eng oder klein gedacht: „Die Welt ist so, wie die Mensch sie geschaffen haben, wenn etwas schlecht ist, können sie es ändern.“

Im 1. Weltkrieg meldet er sich freiwillig zum Kriegsdienst, ist erst an der Ostfront, dann an der Westfront, wo er Furchtbares erlebt und miterlebt.
Über die Nazis urteilt er: Es ist die „Philosophie von Viehzüchtern, an Menschen durchgeführt.“ Er gerät aufgrund seiner Haltung ins Kreuzfeuer. Im 2. Weltkrieg wird er eingezogen und als Gerichtsrat in Frankreich eingesetzt. Dort legt er sich häufig mit der Wehrmacht an.

Nach Kriegsende hat er das Vertrauen der Besatzungsmacht, in Frankreich ist er hoch geschätzt, doch er fühlt sich nicht entschuldigt.
Er fertigt eine ausführliche Selbstbefragung an und fragt: „Wer trägt Schuld, dass die Macht in die Hände von Unmenschen geriet?“ Seine Antwort: „Ich und meinesgleichen, weil wir uns zu gut waren, uns so tief zu bücken, wie die Erde unter dem Sternenhimmel liegt.“
Er beschließt, sein Leben zu ändern und wird so mit 50 Jahren Politiker. Er wird von allen Parteien umworben, entscheidet sich für die SPD.

Beim Parlamentarischen Rat in Bonn wird Carlo Schmid Vorsitzender des Hauptausschusses.
Konkret gehen zwei Punkte des Grundgesetzes auf ihn zurück:
- Konstruktives Misstrauensvotum
- Recht auf Kriegsdienstverweigerung

Elisabeth Selbert

Geboren und aufgewachsen in Kassel. Ihr Mann ermutigt sie zu politischer Tätigkeit, diese wiederum motiviert sie, ein Universitätsstudium aufzunehmen. Mit 30 Jahren ist sie die erste Frau in Kassel, die extern das Abitur ablegt. Sie studiert Jura und promoviert in den 20er Jahren. Thema ihrer Promotion: Zerrüttung als Ehescheidungsgrund. Selbert eröffnet mit geliehenem Geld eine eigene Anwaltskanzlei und befasst sich überwiegend mit Familienrecht. 1939 wird ihr Mann als Gemeinderat und Mitglied der SPD in Haft genommen und in ein Lager gebracht. Es gelingt Selbert als Anwältin, ihren Mann nach vier Monaten aus dieser Situation zu befreien.
Um gegen die Unrechtsmethoden der Nazis Widerstand zu leisten, greift Selbert zu einer List. In Absprache mit ihr verhängt der Strafrichter für kleinere Vergehen eine Freiheitsstrafe. Der Beschuldigte wird in Haft genommen, das kleinere Übel. Bei einem Freispruch wäre er in die Hände der Gestapo gefallen.
Nach Kriegsende wird sie von den Amerikanern gedrängt, eine Anwaltskanzlei mit Notariat in Kassel zu eröffnen. Sie ist die einzige der noch lebenden Kasseler Anwälte ohne Nazivergangenheit. Sie ist Mitglied der verfassungsgebenden Versammlung des Landes Hessen und prägt dort den Satz „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“, der bis heute nicht eingelöst ist. 

Einzig auf die Initiative von Selbert geht der Satz „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ in unserem Grundgesetz zurück. Um ihn durchzusetzen, kämpfte sie gegen erhebliche Widerstände. Zweimal ist die Formulierung in der Abstimmung im Parlamentarischen Rat durchgefallen und auch die anderen drei Frauen der verfassungsgebenden Versammlung hat sie erst überzeugen müssen. 

Sie alarmierte die Öffentlichkeit, fuhr zu Versammlungen kreuz und quer durch die Republik und klärte darüber auf, dass bei Ablehnung des Antrags die Frauen weiterhin wie unmündige Kinder behandelt würden. Selbert wollte bürgerliches Recht mit dem persönlichen Freiheitsrecht und der Gleichwertigkeit der Frau in Einklang bringen. Sie hatte Erfolg, Körbeweise kamen Briefe, die ihren Antrag unterstützten. Die Initiative einer Frau und der politische Zusammenhalt der weiblichen Bevölkerung hat diesen Satz in das Grundgesetz gebracht. „Ich hatte nicht geglaubt, dass 1948 über die Gleichberechtigung überhaupt noch diskutiert werden musste und ganz erheblicher Widerstand zu überwinden war, aber ich habe es dann doch mit Hilfe der Proteste aller Frauenverbände geschafft.“

Ich habe nicht den Eindruck, das sie in der kollektiven Erinnerung den Platz hat, den sie verdient.

Selbert hoffte, an den Nachfolgegesetzen im Bundestag weiter mitwirken zu können. Doch ihre eigene Partei stellte ihr kein Mandat zur Verfügung. Zu unbeliebt hatte sie sich mit ihrem konsequenten Handeln gemacht.

 
Das Gesetz

Das Grundgesetz regelt die Grundrechte, den Föderalismus, die Grundlagen für Bundestag, Bundesrat und den Bundespräsidenten, die Regierung, die Gesetzgebung, die Bundesverwaltung, Gemeinschaftsaufgaben, Rechtsprechung, Finanzwesen und Verteidigungsfall.

Wie bekannt sind uns unsere Grundrechte? Würde ich Sie jetzt auffordern, die 10 Gebote zu benennen - ich nehme an, die meisten würden sie mehr oder weniger vollständig aufzählen können.

Gilt das gleichermaßen für die Grundrechte? Die ersten 10?

1. Würde

11.Freizügigkeit
2. Persönlichkeitsentfaltung 12.Berufsfreiheit
3. Gleichheit 13.Unverletzlichkeit der Wohnung
4. Bekenntnisfreiheit 14.Eigentums- und Erbrecht (Absatz 2: Eigentum verpflichtet!)
5. Meinungsfreiheit 15.Vergesellschaftung von Grund, Boden, Naturschätzen und Produktionsmitteln
6. Schutz der Familie 16.Verbot des Entzugs der Staatsangehörigkeit 16.a) Politisch Verfolgte genießen Asyl
7. Schulwesen 17.Beschwerderecht
8. Versammlungsfreiheit 18.Freiheit der Meinungsäußerung, Pressefreiheit, Lehrfreiheit, …darf nicht zum Kampf gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung genutzt werden
9. Vereinigungsfreiheit 19.Einschränkungen von Grundrechten mit allgemeinen Gesetzen, nicht Einzelfall / Rechtsweg
10. Briefgeheimnis  










 

 

 

 

Bis hier Grundrechte, dann weiter:
20.Föderalismus 20.a) Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen
21.Parteien
22.…

I. Die Grundrechte

Artikel 1

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

Den ersten Satz aus Artikel 1 kennt eigentlich jeder - danach wird es dann schnell dünn. Und selbst dieser erste Satz: Was ist das eigentlich, Würde? Wir haben eine Vorstellung davon, aber eine exakte Definition fällt schwer. Auf jeden Fall hat sie jeder Mensch, unabhängig von ethnischen, sozialen, körperlichen oder sonstigen Merkmalen und Eigenschaften. Es ist ein eher philosophisch anmutender Begriff und schwer zu fassen, auch für die Juristen. Wenngleich die positive Definition schwierig ist, so haben wir doch eine Grundintuition, wenn diese Würde verletzt wird. 

Im Alltag zeigt sich der Umgang mit der Würde am ehesten etwa als „Respekt“. Das bedeutet in der Konsequenz beispielsweise: Eine politische Partei, die Würdeabstufungen für verschiedene Menschengruppen vertritt, ist mit dem Grundgesetz nicht vereinbar.
Satz 1 des GG klingt auch ein wenig nach Pathos. Aber wie will man es denn kleiner sagen in einer Verfassung? Es wurde und wird viel diskutiert dazu. Der Begriff der Würde „funktioniert“ mit Gottesbezug genauso wie mit einer humanistischen Herangehensweise. Wir sind mit dem Grundgesetz nie fertig. Direkt im ersten Satz wird so auch deutlich: Hier wird ein Anspruch formuliert, eine Vorstellung davon, wie wir sein wollen, wie wir miteinander umgehen wollen. Uns daran zu reiben ist eine Aufgabe. In der Zuspitzung des politischen Dialoges erinnert das Grundgesetz auch wiederum daran, dass es Kompromisse sind, die das Leben in der Gemeinschaft lebenswert machen. 

In 70 Jahren Grundgesetz gab es 13.000 (!) Gerichtsentscheide, die sich allein auf Artikel 1 berufen. 

Wegen Artikel 1 bedeutet beispielsweise eine „lebenslange Haftstrafe“ in Deutschland im Durchschnitt 18 Jahre. Die Hoffnung auf zumindest eine Chance in ein Leben nach der Haft zurückzukehren, wird erhalten. Nach 15 Jahren ist bei guter Führung eine Haft-Prüfung vorgesehen. Es besteht die Möglichkeit einer vorzeitigen Freilassung. Hoffnungslos bedeutete würdelos.
Ganz aktuell aus dem Herbst 2019 ist der Verfassungsgerichtsentscheid zu Leistungskürzungen von Hartz IV-Bezügen. Die Sanktionsregelungen bei Hartz 4 verletzen die Würde des Menschen, so der Kern des Karlsruher Urteils. Das Verfassungsgericht fordert eine Neujustierung zwischen „Fordern“ und „Fördern“. Für die Höhe von Sanktionen gilt künftig: Bei 30 Prozent Kürzung ist Schluss; mehr ist nicht verfassungskonform. 
Unser Grundgesetz ist nicht auf der grünen Wiese entstanden, sondern baut auf der deutschen Tradition seit Mitte des 19. Jahrhunderts auf. Bereits die Weimarer Reichsverfassung, entstanden in chaotischen Zuständen zum Ende des ersten Weltkrieges, greift die bereits in der Paulskirchenverfassung angelegten klassischen Freiheits- und Gleichheitsrechte auf:

  • Alle Deutschen sind vor dem Gesetze gleich. Männer und Frauen haben grundsätzlich dieselben staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten. (Art. 109)
  • Die Freiheit der Person ist unverletzlich. Eine Beeinträchtigung oder Entziehung der persönlichen Freiheit durch die öffentliche Gewalt ist nur auf Grund von Gesetzen zu- lässig. (Art. 114)
  • Jeder Deutsche hat das Recht, innerhalb der Schranken der allgemeinen Gesetze seine Meinung durch Wort, Schrift, Druck und Bild oder in sonstiger Weise frei zu äußern. (Art. 118)
  • Die Ehe steht als Grundlage des Familienlebens und der Erhaltung und Vermehrung der Nation unter dem besonderen Schutz der Verfassung. Sie beruht auf der Gleichberechtigung der beiden Geschlechter. ... Kinderreiche Familien haben Anspruch auf ausgleichende Fürsorge. (Art. 119)
  • Die Kunst, die Wissenschaft und die Lehre sind frei. (Art. 142)

Die Weimarer Verfassung hatte, vor allem in ihrem Grundrechteteil, viel Modernes. Anders als heute standen die Rechte jedoch vor einem weitreichenden Gesetzesvorbehalt. Letztlich war es so möglich, mit Gesetzen alles, auch die Grundrechte, auszuhebeln. Notstandsgesetze in der Weltwirtschaftskrise ebneten den Weg zum Ermächtigungsgesetz der Nationalsozialisten, das 1933 die Verfassung per Gesetz kurzerhand „bis auf weiteres außer Kraft“ setze.

Die Autoren des Grundgesetzes haben unter dem Eindruck des Scheiterns der Weimarer Verfassung entscheidende Änderungen in das Grundgesetz eingebaut, die die Republik wehrhafter gemacht haben gegen Missbrauch durch die Politik. So haben wir heute bspw. eine an Werte gebundene Verfassung, ein konstruktives statt destruktives Misstrauensvotum, eine hohe Hürde zur Änderung der Verfassung und, ja, auch eine Reduktion der direkten Demokratie durch Volksentscheide. In der Weimarer Verfassung waren sie vorgesehen und haben dreimal stattgefunden. 

Seit den ersten demokratischen Ansätzen Mitte des 19. Jahrhunderts hat es lange gedauert, bis aus Untertanen Bürger wurden und sich ein demokratisches Grundverständnis bei den Politikern bzw. allen Deutschen etabliert hat. Das deutsche Grundgesetz wurde gar, obwohl bescheiden und leise verfasst, nach Jahren der politischen Kontinuität und demokratischen Stabilisierung und dem wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands, attraktiv über die Landesgrenzen hinaus. Der deutsche Verfassungsstaat gilt „als ausgeprägt liberal und demokratisch“. Deutschland hatte gezeigt, wie eine Verfassungsordnung verlässlich individuelle, politische und auch wirtschaftliche Freiheit schützt. Und wie sie der totalitären Vergangenheit ein überzeugendes Modell rechtsstaatlicher Demokratie entgegenzustellen vermag. So übernahmen Südkorea Anfang der Sechzigerjahre, Griechenland und Spanien in den Siebzigerjahren Elemente von Grundgesetz und Institutionen. In Ost- und Mitteleuropa nach den sozialistischen Diktaturen, aber auch in Namibia und Südafrika, war das Grundgesetz – neben dem amerikanischen und französischen Verfassungsrecht – das meistzitierte Modell einer rechtsstaatlich-demokratischen Verfassungsordnung. Nach dem Beispiel des Grundgesetzes werden die Richter der polnischen, ungarischen und tschechischen Verfassungsgerichte ausschließlich von der Legislative bestellt, um so die Unabhängigkeit gegenüber der Exekutive zu stärken. Das ungarische Verfassungsgericht übernahm die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Beschränkung des Gesetzgebers bei Grundrechtseingriffen. Blickt man auf die derzeitige Lage der Verfassungsgerichtsbarkeit in Polen und Ungarn, deren Entstehung so stark vom Modell des Grundgesetzes beeinflusst war, wird klar, dass eine Verfassung nur so viel gilt wie der Wille ihrer Bürger und Amtsträger. Die Rechtsprinzipien von Freiheitlichkeit und Gewaltenteilung müssen auch politisch mit Leben erfüllt werden. 


Die Freiheit

Freiheit bleibt eine Errungenschaft. 
Der Komiker Dieter Nuhr überspitzt es wie folgt: …überhaupt sind unsere selbstverständlichen Freiheiten ja nicht so selbstverständlich. Gucken Sie sich Russland an, da kommt man als Schwuler immer noch in den Knast - In China habe ich als Bürger überhaupt keine Rechte, Afrika ist eine einzige Katastrophe, in Südamerika können Sie nicht aus dem Haus, da werden sie erschossen oder was weiß ich, Kriminalität ohne Ende - in Nordamerika dürfen sie nix tun, da haben viele nicht mal eine Krankenversicherung. In Europa geht es ja schon los, im Süden ist Korruption, Mafia - und wir leben hier in diesem Hort der Zivilisation und heulen uns ständig die Hosen voll , das ist schon manchmal komisch wenn alle immer „alles Mist, alles ungerecht,“ nörgeln. Natürlich ist nicht alles perfekt, ich bin ja nicht naiv, ich finde nur, dass man darauf ab und zu mal hinweisen sollte, damit wir nicht irgendwann so Demokratieverständnis kriegen wie 1932. …

Wir leben heute in Deutschland in einem System großer persönlicher und genereller Freiheit. Seine Freiheit zu schätzten bedeutet auch, sie aktiv zu verteidigen. Was kann ich als Einzelne zu ihrem Erhalt beitragen? Diese Frage dürfen wir uns ruhig regelmäßig stellen.

Was bedroht Freiheit– schleichend oder aggressiv, verdeckt oder offen? 

In jedem Fall muss Freiheit immer neu verhandelt werden, wenn sie sein soll. Und wenn sie sein soll, muss immer neu untersucht werden, was sie einschränkt und auch, wo sie einzuschränken ist. Ein deutliches Zeichen zunehmender Freiheitsbedrohung ist der Verlust der Kompromissfähigkeit oder der Lust am Kompromiss. 

Freiheit im Zusammenleben von Menschen funktioniert nur mit Regeln. Das gilt in jeder Gruppe, angefangen von der Familie. 

Dass eine Gemeinschaft nicht ohne Gesetz bestehen kann ist ein Gedanke, der mir in dieser Klarheit erst in der Freimaurerei begegnet ist. Weitergedacht hängt daran auch die Freiheit des Individuums und die Möglichkeit der freien Entfaltung und Entwicklung. Die Freiheit zu nutzen, ist jedoch eine Kunst, denn sehr häufig liegt der Fokus auf der Beschränkung statt auf der Gestaltung. Hier schließe ich ganz ausdrücklich auch Diskussionen in der Freimaurerei ein.

Die Loge bietet und auch hier einen Übungsraum und so haben wir hoffentlich auch in einem größeren Kontext Sensibilität, Argumente, Kraft und Stimme zur Verteidigung der Grundsätze unseres gesellschaftlichen Miteinanders. 

Es sind immer Einzelne, die wirken und mit ihrer Überzeugung und Haltung, ihren Impulsen und ihrem Engagement kraftvolle Vorbilder für viele andere sind. Es kommt auf jeden Einzelnen an.

Am Ende komme ich wieder zurück auf Artikel 1 unseres Grundgesetzes und schließe mit einem Satz von Carlo Schmid:
„Demokratie ist nur dort mehr als ein Produkt bloßer Zweckmäßigkeitserwägungen, wo man den Glauben hat, dass sie für die Würde des Menschen unverzichtbar ist." Das bedeutet zugleich Intoleranz denen gegenüber zu üben, die die Demokratie gebrauchen wollen um sie selbst umzubringen.

  


Literatur und Quellen:

In guter Verfassung, Der Grundgesetz-Podcast von detektor.fm von Hajo Schumacher und Rabea Schloz
Das Thema, Podcast der Süddeutschen Zeitung, Folge vom 8. Mai „Wie das Grundgesetz entstanden ist“
Eine Stunde Hisory, Podcast von Deutschlandfunk Nova, Folge 17. Mai 2019 „Grundgesetz - das längste Provisorium der Welt“
SWR2 Wissen Podcast, Folge vom 2.2.2016: Carlo Schmid - Architekt des Grundgesetzes
WDR Zeitzeichen vom 22.5.2019 „Das Grundgesetz wird verkündet“
Mütter des Grundgesetzes, Schrift des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
„Freie Haut für freie Bürger“ Spiegel online, 4.12.2018
Hartz IV Sanktionen - Eine krachende Ohrfeige für die Politik, Frankfurter Rundschau, 5.11.2019
Grau, Andreas/Haunhorst, Regina/Würz, Markus: Nachkriegsjahre, in: Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, URL: http://www.hdg.de/lemo/kapitel/nachkriegsjahre.html
ZEIT online, Copyright: Grundgesetz - Das deutsche Grundgesetz wurde weltweit adaptiert, in Spanien, Korea oder Ungarn. Ein Gastbeitrag von Dieter Gosewinkel, 25. Mai 2019
Grund- und Menschenrechte aus sozialrechtlicher Sicht 100 Jahre Weimarer Reichsverfassung - 70 Jahre Grundgesetz Prof. Dr. Rainer Schlegel, Präsident des Bundessozialgerichts, Kassel, Vortrag anlässlich der Ausstellungseröffnung "Antje Wichtrey, Menschenrechte", 5. Juni 2019, Kassel
https://www.faz.net/aktuell/politik/das-grundgesetz-in-zahlen-23-000-woerter-197-artikel-1-verfassung-16186401.html